Voraussetzungen der Änderung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids (BFH IV R 33/07)
Voraussetzungen der Änderung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 174 Abs. 3 AO – Einbringung von Grundstücken des Betriebsvermögens in eine vermeintlich gewerblich geprägte GmbH & Co. GbR
1. Unter einem „bestimmten Sachverhalt“ i.S. von § 174 Abs. 3 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft; darunter fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, sondern auch der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex.
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2. Ging das FA anlässlich der Beendigung der betrieblichen Nutzung eines vom Kommanditisten einer KG überlassenen Grundstücks und dessen Ãœbertragung auf eine GmbH & Co. GbR –nach späterer Erkenntnis rechtsirrig– davon aus, dass die Besteuerung stiller Reserven zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könne, so scheidet die Änderung eines gegenüber der KG ergangenen bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 174 Abs. 3 AO aus. Die Umstände, die zu einer späteren Aufdeckung stiller Reserven hätten führen können, sind unbestimmt und gehören nicht zu dem Sachverhalt, der rechtsirrtümlich nicht als Entnahme aus dem Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten gewürdigt worden ist.
AO § 174 Abs. 3, § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
Urteil vom 14. Januar 2010 IV R 33/07
Vorinstanz: FG Münster vom 10. Mai 2007 6 K 2818/03 F (EFG 2007, 1478)
Gründe
I.
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt ein Energieversorgungstechnikunternehmen. Kommanditistin der Klägerin und Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH ist Frau G. G ist zugleich Eigentümerin der Grundstücke an der O-Straße in L. Auf diesen Grundstücken betrieb die Klägerin bis zum Ende des Streitjahres (1995) ihre Geschäfte; ab Mai 1995 zog die Klägerin in ihr neu errichtetes Betriebsgebäude in L, Z-Straße, dessen Eigentümerin sie ist. Bis zum 31. Dezember 1995 behandelte die Klägerin die Grundstücke der G als deren Sonderbetriebsvermögen.
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Zu jener Zeit nahm die steuerliche Beraterin der Klägerin, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (W), in einem Kurzgutachten dazu Stellung, wie bei der Betriebsverlegung der Klägerin die Aufdeckung stiller Reserven vermieden werden könne. W empfahl, die Grundstücke O-Straße in ein anderes Betriebsvermögen zu übertragen. Hierzu sollte eine gewerblich geprägte Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. GbR (mbH) gegründet werden.
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Mit Schreiben vom 14. September 1994 bat die Klägerin den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) um eine verbindliche Auskunft u.a. zu der Frage, wie die von W vorgeschlagene Gestaltung steuerlich zu würdigen sei. Mit Verfügung vom 17. November 1995 führte das FA u.a. aus:
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„Die Realisierung stiller Reserven kann nur dann vermieden werden, wenn das Grundstück weiter in einem Betriebsvermögen verbleibt, wobei die Entnahme aus dem einen durch die Einlage in ein anderes Betriebsvermögen möglich ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz). Durch die Neugründung der gewerblich geprägten Personengesellschaft GmbH & Co. GbR kann ein anderes Betriebsvermögen begründet werden. Die Einlage des Betriebsgrundstückes ist mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen; sie ist jedoch höchstens mit dem Entnahmewert anzusetzen, da das zugeführte Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung aus einem Betriebsvermögen entnommen worden ist.“
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Mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1995 wurde die „G Geschäftsführung GmbH und G Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Haftungsbeschränkung wie eine GmbH & Co. KG“ (A) gegründet. Die „G Geschäftsführung GmbH“ (B) und G sind Gesellschafterinnen der A, wobei G zu 100 % am Gesellschaftsvermögen der A beteiligt ist. G ist zugleich Geschäftsführerin der B, die allein zur Vertretung der A berechtigt ist. Die Grundstücke O-Straße wurden zum 1. Januar 1996 zu Buchwerten in die A eingebracht.
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Nachdem die Klägerin am 9. Dezember 1996 eine Feststellungserklärung für das Jahr 1995 eingereicht hatte, stellte das FA mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1995 vom 11. Februar 1997 die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 661.595 DM fest. Der nach einer Außenprüfung ergangene Änderungsbescheid vom 27. April 1999 stellte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 714.594 DM fest.
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Die A wurde vom FA ab 1. Januar 1996 als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) behandelt. Feststellungsbeteiligte waren G und B. Für die Jahre 1996 bis 1999 reichte die A jeweils eine Feststellungs-, eine Gewerbesteuer- und eine Umsatzsteuererklärung ein. Das FA führte erklärungsgemäß entsprechende Feststellungen und Steuerfestsetzungen durch.
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Mit Schreiben vom 18. Juli 2000 IV C 2 -S 2241- 56/00 (BStBl I 2000, 1198) nahm das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Stellung zu den ertragssteuerlichen Auswirkungen des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. September 1999 II ZR 371/98 (BGHZ 142, 315), nach dem für die im Namen einer GbR begründeten Verpflichtungen die Gesellschafter kraft Gesetzes auch persönlich haften und diese Haftung nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden kann. Das BMF führte u.a. aus, in Fällen, in denen in der Vergangenheit –beispielsweise bei einer GmbH & Co. GbR– auf Grund der bisherigen BGH-Rechtsprechung auch ohne ausdrückliche Abrede der Parteien eine Haftungsbeschränkung angenommen worden sei, also steuerlich vom Vorliegen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ausgegangen worden sei, erweise sich diese Annahme rückwirkend als unrichtig. Die betreffende GbR habe von Anfang an kein Betriebsvermögen gehabt, sondern es habe von Anfang an Privatvermögen vorgelegen. Werde die GbR gemäß den Regelungen des Handelsrechtsreformgesetzes 1999 (BGBl I 1998, 1474) bis zum 31. Dezember 2000 in eine GmbH & Co. KG umgewandelt, so könne die Gesellschaft aus Vertrauensschutzgründen bis zum 31. Dezember 2000 beantragen, das Vermögen der Personengesellschaft weiterhin als Betriebsvermögen zu behandeln. In seinem Schreiben vom 28. August 2001 IV A 6 -S 2240- 49/01 (BStBl I 2001, 614) nahm das BMF zur Behandlung der Fälle Stellung, in denen ein solcher Antrag nicht gestellt worden war. Unter Ziff. 1. dieses Schreibens führte das BMF aus:
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