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Voraussetzungen der Änderung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids (BFH IV R 33/07)


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aa) § 174 Abs. 3 AO setzt eine alternative Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhalts in dem einen oder dem anderen Steuerbescheid (Feststellungsbescheid) voraus (Senatsurteile vom 15. Februar 2001 IV R 9/00, BFH/NV 2001, 1007, und vom 8. März 2007 IV R 41/05, BFH/NV 2007, 1813; vgl. auch Senatsbeschluss vom 18. August 2005 IV B 167/04, BFHE 210, 210, BStBl II 2006, 158). Der Sachverhalt muss identisch sein (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813; Senatsbeschluss vom 3. September 1997 IV B 166/96, BFH/NV 1998, 148). Das Tatbestandsmerkmal des bestimmten Sachverhalts ist in § 174 AO einheitlich auszulegen (vgl. z.B. von Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 174 AO Rz 171; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 174 Rz 18 und 40a; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 5, 29 und 39); deshalb können für § 174 Abs. 3 Satz 1 AO auch die für § 174 Abs. 4 Satz 1 AO in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze herangezogen werden. Danach ist unter einem bestimmten Sachverhalt der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft; darunter fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, sondern auch der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813; BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18, jeweils m.w.N.). Es muss sich um denselben Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813). Für die Anwendung des § 174 Abs. 3 AO ist entscheidend, dass aus demselben –unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten– Sachverhalt steuerliche Folgerungen in einem anderen Steuerbescheid hätten gezogen werden sollen.


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bb) Die (erkennbare) Annahme, dass ein bestimmter Sachverhalt in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, muss –in sinnvoller Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 174 Abs. 3 AO– für dessen Nichtberücksichtigung kausal geworden sein (z.B. BFH-Urteile in BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743, und in BFH/NV 2001, 1372, jeweils m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 40a). Dabei ist jedoch unerheblich, ob diese Annahme auf einer sachlichen oder auf einer rechtlichen Fehlbeurteilung beruht (z.B. Senatsurteile in BFHE 172, 5, BStBl II 1994, 76, und vom 23. Mai 1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89). An der erforderlichen Ursächlichkeit der Annahme für die Nichtberücksichtigung fehlt es nur, wenn die Behörde von diesem Sachverhalt gar keine Kenntnis hatte oder rechtsirrtümlich annahm, dieser Sachverhalt sei –jetzt und auch später– ohne steuerrechtliche Bedeutung (z.B. BFH-Urteile in BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743, und in BFH/NV 2001, 1372; BFH-Beschluss vom 9. August 2007 I B 15/07, juris).

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b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO nicht gegeben.

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aa) Die Anwendung des § 174 Abs. 3 AO kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem Geschehen im Zusammenhang mit der Aufgabe der betrieblichen Nutzung der im Eigentum der G befindlichen, bis einschließlich des Streitjahrs als Sonderbetriebsvermögen der G behandelten Grundstücke und deren Einbringung in das Betriebsvermögen der zu jener Zeit vermeintlich gewerblich geprägten A einerseits und andererseits der späteren Aufdeckung der in den streitbefangenen Grundstücken ruhenden stillen Reserven aus zeitlich und seiner Art nach unbestimmtem Anlass nicht um einen identischen Sachverhalt handelt.

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Der Sachverhalt, den das FA unberücksichtigt gelassen hat, war die Ãœberführung der Grundstücke der G aus deren Sonderbetriebsvermögen in das Betriebsvermögen der neu gegründeten A. Dieser Vorgang wäre, wenn das FA die A nicht entgegen seiner später gewonnenen Rechtsauffassung als gewerblich geprägte Personengesellschaft angesehen hätte, als Entnahme zu erfassen gewesen. Denn mit der Nutzungsänderung der Grundstücke wurde deren betriebliche Beziehung zur Klägerin gelöst, so dass die Grundstücke ohne die Einbringung in ein anderes Betriebsvermögen Privatvermögen der G wurden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 5. April 1979 IV R 48/77, BFHE 128, 49, BStBl II 1979, 554, und vom 8. März 1990 IV R 60/89, BFHE 160, 443, BStBl II 1994, 559; Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 15 Rz 538). Indessen hat das FA die Besteuerung anlässlich der Nutzungsänderung und Ãœbertragung der Grundstücke auf die A nicht etwa deshalb unterlassen, weil es annahm, diese Entnahme sei in einem späteren Bescheid zu erfassen. Zwar hat es von der Besteuerung eines Entnahmegewinns abgesehen, weil es –nach späterer Erkenntnis rechtsirrig– der Auffassung war, die in den Grundstücken ruhenden stillen Reserven blieben nicht unversteuert. Die in einem späteren Zeitpunkt zu erwartende Versteuerung der stillen Reserven konnte jedoch aus der damaligen Sicht des FA auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen (vgl. zu einer vergleichbaren Sachverhaltsabgrenzung auch Senatsbeschluss in BFHE 210, 210, BStBl II 2006, 158). Denn zu einer Aufdeckung von stillen Reserven können ganz unterschiedliche Umstände (z.B. die Entnahme oder die Veräußerung eines oder mehrerer Grundstücke) führen, die selbst in ihren wesentlichen Merkmalen auch nicht teilidentisch mit dem im Streitfall vom FA beurteilten Sachverhalt der Nutzungsänderung und Grundstücksübertragung sind. Insbesondere handelte es sich bei späteren Entnahmehandlungen nicht um denselben Sachverhalt wie bei der Entnahme in Folge einer von der Klägerin veranlassten Nutzungsänderung der Grundstücke. Denn der Begriff der „Entnahme“ bildet nur den Tatbestand für die rechtliche Beurteilung; den maßgeblichen Sachverhalt bilden demgegenüber die Tatsachen, die unter den Tatbestand der Entnahme zu subsumieren sind (vgl. auch Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813). Die Tatsachen, die einer möglichen späteren Entnahme zugrunde lägen, sind jedoch in jedem Fall andere als die im Streitfall vorliegende Nutzungsänderung und Grundstücksübertragung. Das FA hat also die Besteuerung nicht deshalb unterlassen, weil es annahm, der bei der Klägerin verwirklichte Sachverhalt sei in einem späteren Bescheid zu erfassen. Zudem war auch der Zeitpunkt einer Aufdeckung stiller Reserven völlig unbestimmt. Ein „bestimmter“ (identischer) Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO setzt hingegen auch voraus, dass die tatsächlichen Umstände, die das FA seiner Beurteilung zugrunde legt, diesem in ihren wesentlichen Ausprägungen hinreichend bekannt sind. Allein die Erwartung des FA, die stillen Reserven seien irgendwann aufgrund irgendeines Sachverhalts zu erfassen, rechtfertigt die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 3 AO nicht.



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