Weniger Bürokratie mit Elster & Co.
Mittelstand klagt über Bürokratiekosten / Einheitliche Standards und Normen schaffen Investitionssicherheit / Elektronische Ãœbermittlung von Beschäftigungs- und Steuerdaten senkt Verwaltungskosten / Erhebliche Wissenslücken durch Vielzahl neuer Regelungen / Steuer-Fachschule Dr. Endriss qualifiziert Mitarbeiter im Finanz- und Rechnungswesen.
Der deutsche Mittelstand leidet. Kaum ein anderes Land wartet mit mehr Regelungen, Verordnungen und Gesetzen rund um das Thema Steuern und Abgaben auf, lautet die bei Unternehmern weit verbreitete Ansicht. Dabei hält sich ein Gerücht seit Jahren hartnäckig: Mehr als 80% der weltweit publizierten Steuergesetze und der entsprechenden Fachliteratur sind angeblich in deutscher Sprache verfasst, behaupten Steuerexperten und Politiker aller Parteien immer wieder.
„Alles ganz anders“, lautet hingegen das Urteil des Steuerberaters und Universitäts-Professors Albert Rädler aus Hamburg. Er wertete gemeinsam mit Hubert Hamaekers vom International Bureau of Fiscal Documentation in Amsterdam die örtliche Bibliothek aus. Das Ergebnis sollte manchen Steuerfachmann erfreuen: Nach Rädlers Recherchen seien tatsächlich nur etwa 10% der Publikationen auf das deutsche Steuerrecht gemünzt, so die Financial Times Deutschland in ihrer Ausgabe vom 7. Januar 2005. Damit, so das Fazit des Berichts, nehme Deutschland allerdings trotzdem den weltweiten Spitzenplatz ein.
Elektronische Meldeverfahren senken Kosten
Dass das anders werden soll, scheint der feste Wille der rot-grünen Bundesregierung zu sein, die dabei erfolgreich den Schulterschluss mit den Unternehmensverbänden sucht, die seit jeher gegen die Bürokratie wettern. In zahlreichen Initiativen zum Bürokratieabbau sollen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) vom bürokratischen Ballast befreit und damit international wettbewerbsfähiger gemacht werden. Frommer Wunsch oder bald schon Wirklichkeit? Bei den Bemühungen um mehr Effizienz in der öffentlichen Verwaltung fallen vor allen Dingen Projekte auf, die einen personalwirtschaftlichen Bezug haben und somit die Kosten der Personaladministration und -abrechnung senken könnten. So erarbeiten die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen bereits seit 1996 Standards und Normen zur sicheren elektronischen Ãœbermittlung von Sozialversicherungsdaten und Beitragsnachweisen. Arbeitgeber nutzen zum Datentransfer via E-Mail oder Internet in der Regel eine handelsübliche Entgeltabrechnungssoftware mit einer entsprechenden Schnittstelle oder entsprechende Angebote der gesetzlichen Krankenkassen, die den etablierten Spezifikationen der Datenerfassungs- und Ãœbermittlungs-Verordnung (DEÃœV) entsprechen. Ab 2006 wird die elektronische Meldung von Sozialversicherungsdaten für alle Arbeitgeber Pflicht. Ein eigens eingerichtetes Internetportal liefert alle relevanten Informationen zu den Arbeitgeberverfahren und den technischen Rahmenbedingungen, damit die Umstellung für die Unternehmen nicht zum ökonomischen Desaster wird.
„JobCard“-Verfahren reformiert Bescheinigungswesen
In einem weiteren Gesetz hat die Bundesregierung die Einführung einer so genannten „JobCard“ beschlossen. Die Arbeitgeber und ihre Spitzenverbände streben bereits seit Jahren eine zentrale Speicherung von Arbeits- und Entgeltdaten an, um sich von den Aufbewahrungsfristen zu befreien und die Kosten für die Ausstellung von Bescheinigungen zu senken. Ein Gutachten des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn aus dem Sommer 2004 belegt, dass rund 35% der 1.300 befragten Unternehmen eine starke Zunahme der Bürokratiebelastung im Bereich der Sozialversicherung verzeichnen. Nach Angaben der Arbeitgeberverbände ließen sich allein durch den Wegfall der Arbeitsbescheinigung auf Papierbasis rund 500 Mio. Euro Personalverwaltungskosten einsparen – ein stattlicher Betrag, der zum Beispiel in der Personalentwicklung fehlt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) hat sich im Rahmen des Aktionsprogramms „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ dazu entschieden, ein entsprechendes Modellprojekt durchzuführen. Im „JobCard“-Verfahren (Stufe 2) melden die Personalverantwortlichen jeden Monat verschlüsselt einen so genannten „multifunktionalen Datensatz“ an eine zentrale Speicherstelle. Aus diesem Datensatz können nach derzeitigem Projektstand 18 verschiedene Bescheinigungen – von der Arbeitsbescheinigung über die Verdienstbescheinigung zum Antrag auf Wohngeld bis hin zur Arbeitgeberbescheinigung zum Erziehungsgeldantrag – anlassbezogen erstellt werden. Alle Arbeitnehmer erhalten eine Signaturkarte, auf der keine Beschäftigungs- oder Entgeltdaten gespeichert sind. Die Sachbearbeiter einer abrufenden Stelle (zum Beispiel die Agentur für Arbeit) verfügen ebenfalls über eine Signaturkarte und eine Berechtigung, auf bestimmte Daten des Antragstellers zugreifen zu dürfen. Dieser ermöglicht dem Sachbearbeiter dabei unter Einsatz der Signaturkarte den Zugriff auf die Daten, die für die Bearbeitung des Antrags erforderlich sind. Derzeit wird das „JobCard“-Verfahren erfolgreich in der Praxis erprobt. Unternehmen würden von der Umsetzung des Verfahren gleich mehrfach profitieren: Neben der einfachen und sicheren Ãœbermittlung der Beschäftigungs- und Entgeltdaten an eine zentrale Speicherstelle würden vor allen Dingen die lästigen Aufbewahrungsfristen und die damit verbundenen Kosten entfallen. Die abrufenden Stellen sparen ebenfalls Zeit, da statt manueller dann elektronische Prozesse die Regel sind. Und Antragsteller halten ihren Bewilligungsbescheid schneller in den Händen.
„Elster“ vereinfacht Lohnsteuermeldungen
Seit Januar 2005 sind die Arbeitgeber verpflichtet, Lohnsteuerdaten jeweils bis zum 28. Februar maschinell an die Finanzverwaltung zu melden. Mit dem Steueränderungsgesetz (StÄndG) aus 2003 hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für einen sicheren und schnellen Datenaustausch zwischen den Personalabteilungen und der Finanzverwaltung geschaffen. Das Ziel von „ElsterLohn“ ist klar: Die Lohnsteuerkarte soll auf Dauer abgeschafft werden. Die Umstellung auf die elektronische Ãœbermittlung von Lohnsteuerdaten bietet für die Arbeitgeber entscheidende Vorteile: Die Investitionen in die technische Infrastruktur sind gering, da der erforderliche Software-Client in bestehende IT-Infrastrukturen integriert werden kann. Der amtlich vorgeschriebene Datensatz wird verschlüsselt an eine zentrale Clearing-Stelle gemeldet. Diese leitet alle Informationen an die entsprechenden Finanzämter weiter. Die integrierte Ausfüllhilfe sorgt ebenso für eine geringere Fehlerquote wie eine Plausibilitätsprüfung. Durch „ElsterLohn“ werden vor allen Dingen die Bearbeitungszeiten in der Finanzverwaltung deutlich verkürzt. Erfreulicher Nebeneffekt: Steuererstattungen erfolgen schneller.